Johannes Müller im 19. Jahrhundert

Schicksal von Leben und Werk
Jahrbuch für Goetheanismus 2001, 2001, P.68-109 | DOI: 10.18756/jfg.2001.68

Zusammenfassung:

Johannes Müller (1801-1858) nicht nur der führende deutsche Physiologe in dei ersten l lallte des W. _lalu‘lnnitlerts, sondern der Lehrer einer ganzen Generation von mode: nen Natur-wissensclmhlern, deren empirische l’orsehungsarheiten in Physik, Biologie. Anatomie und Physiologie wegweisend, ia pnradigrnenhildend wurden: Hermann von l“it‘.lflll‘lull"l., l‘irnst. Hrürlo-, Carl ludwig, Frnil du Bois-Reymond, Rudolf Virchow und Ernst llaeeltel. Obgleich Llllt.‘ diese Protagonixten des naturwis<m<rhaltlieben l’osiiivimnns sich dankbar auf Müller heriefen und die epoelmlen Gedenlneden auf ihren vMeistew verfassten, waren wie ihrerseits wenig entpliinglieh für das, was Müllers ideelle Grundlagen und verborgene Intentionen waren. Diese wurzeh.en nämlich n;trlth.tltig im ldeenrenlismtis der deutschen Klassik lw.w. im Duktus der Goetheschen Naturwissensehaft. Müller wollte die Intentionen eines Aristoteles, Bacon und Goethe in eine höhere Einheit über- und weiterführen, das heißt eine empirisch fundierte Physiologie schaffen, die zugleich l..ehens- und Geisteswissensd‘ralt sein sollte. In diesem zentralen Anliegen aller scheiterte er und l.ng sich nach IS4Ü resignierend aus der Physiologie zurück, wich aul die biologische Detailwissenselmft aus. Müllers Rückzug waren seine vergehliehen Bemühungen um eine positive Begegnung “oder gar 7.ns:unmcnarheit mit Goethe vorattsgeg.tngen. schließlich seine offensichtlirhe Kapitulation vor dem Eindringen physikalischer und bioehemiw1u-r I"orsehungsnrethoden mit haus-alanalytischeut lirldärnngsansatz in das Gebiet der Humanphysiologie. Vor dem I-linlerguml des siiltnlaren Umbruelh‘k in der Mitte des I‘J_ Jahrhunderts, der den Einhrtwh des h'lttle‘l'ldllfilt‘llifi in die Naturwissensclmlt‘. fensehrieh, importiert Müllers letzte Lebens- und Arbeitsplmse (I840-1858) als das ausweglos-awanghafte. VDI! Angst begleitete Bemühen eines gebrochenen Geistes, das System des Lebens in seinen kleinsten Einheiten zu ordnen.
 

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