Zur Metamorphose der Geweihgestalten

Jahrbuch für Goetheanismus 2016, 2016, P.81-148 | DOI: 10.18756/jfg.2016.81

Zusammenfassung:

Zur Metamorphose der Geweihgestalten

In der Vielfalt der Geweihformen offenbart sich ein allen gemeinsames Bildegesetz‚ ein »Typus« im Goetheschen Sinne. Dieses »Urgeweih« wird zunächst erfasst als gemeinsamer »Bauplan«, als Schema bestimmter Teile und ihrer räumlichen Stellung zueinander. Elemente dieses Bauplanes, die bei einer Hirschart normalerweise latent bleiben, treten unter besonderen Umständen hier ebenfalls hervor; vor allem bei luxurierenden Geweihen. In einem zweiten Schritt wird den kompensatorischen Beziehungen zwischen den mehr oder weniger stark ausgebildeten Teilen nachgegangen. Sie erscheinen als die Grundlage des ästhetischen Eindrucks der Ausgewogenheit, der Harmonie der Formen. Über die Frage nach den konkreten Metamorphose-Gesten, durch die die Übertragungen zugunsten eines bestimmten Geweihteiles auf Kosten eines anderen verständlich erscheinen, gelangen wir zu übergeordneten Bildeprinzipien. Diese lassen sich für die Entstehung sowohl der verschiedenen Teile als auch des Geweihganzen nachweisen. Die Formen der Teile und des Ganzen beleuchten sich gegenseitig. Immer wieder kommt es zu Vereinigungen zunächst auseinanderstrebender Bildungen, Zur Konzentration auf wenige Wachstumszentren. Dieses Wachstum akzeleriert und gelangt zu endgültiger oder vorübergehender Stagnation, wahrscheinlich durch Überforderung seiner Versorgung. Zurückgebliebene Fragmente zuerst integrierter Geweihelemente erstarken und können das Wachstum fortsetzen. Ein Rhythmus zwischen Konzentration und Aufsplitterung, Spitzenwachstum und mehr basaler Erneuerung entsteht im Kleinen und im Großen. Dabei kann ein interessantes Ineinanderspielen von »Epigenese« und »Evolution« (im Sinne von »Auswicklung«, bloßer Ausgestaltung bereits veranlagter Teile) beobachtet werden. Jedes spezielle Geweih, obwohl es zuerst einseitig ausgebildet erscheint und der Ergänzung durch polare Formen bedarf, erscheint zuletzt als auch in sich selbst vollkommen harmonische Offenbarung des »Urgeweihes«.

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